Ausführliche Beschreibung der Programminhalte

Vortrag (2 UE)

15. Juni 2023

Sprache in der Psychotherapie – Psychotherapie ist Sprachkunst
Lothar Duda, Dortmund; Eugene Epstein, Oldenburg; Manfred Wiesner, Oldenburg

Die sprachlichen Kompetenzen der Psychotherapeut*innen stellen eine zentrale Fähigkeit beim therapeutischen Handeln dar: Kommunikation sei „ein wesentlicher, wenn nicht sogar der wichtigste Bestandteil der Therapie“ und „die Sprache das einzige Therapiemittel des Psychotherapeuten“ – so der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 12.04.2019 zum Gesetzesentwurf zur Reform der Psychotherapeutenausbildung der Bundesregierung.
In unserem Vortrag wollen wir zunächst die Bedeutung der sprachlichen Kunstfertigkeit für das psychotherapeutische Handeln herausstellen und theoretisch begründen. Durch die kritische Reflexion des psychotherapeutischen Sprachgebrauchs möchten wir dazu einladen

  • den traditionellen Psycho-Jargon kritisch zu hinterfragen,
  • ein Gespür für die Macht unserer Therapiesprachspiele zu entwickeln, und in unseren Lebens- und Arbeitswelten neue sprachliche Pfade zu betreten.

Ausführliche Beschreibung des Vortrags siehe hier.

©Iberotel Boltenhagen

Beiprogramm (2 UE gesamt)

16. – 17. Juni 2023

BP 1: Warum „Yes, and…“ ganz anders ist als „Yes, but…“ – Grundhaltungen aus Impro in der Therapie
Eva Barnewitz, Konstanz

Wer von uns hat sich nicht schon gewünscht, Unsicherheiten und vermeintliche Fehler gelassen hinzunehmen und mit Stagnation und Widerständen (im Leben und in der Therapie) flexibel und spielerisch umzugehen?

Im Improvisationstheater (kurz: Impro) entwickeln Spieler*innen ohne Skript und “aus dem Nichts” Szenen und Geschichten, die auf der Basis bestimmter Fähigkeiten und Grundhaltungen wachsen und aus der Inspiration des Augenblicks erblühen. Zu diesen Fähigkeiten zählen klare Kommunikation, Aufmerksamkeit im Hier und Jetzt, Gelassenheit im Umgang mit Unsicherheiten, Ambiguitätstoleranz, Flexibilität, Assoziationsfähigkeit und vor allem eine wertschätzende und akzeptierende Grundhaltung.

Durch konkrete Übungen aus dem Improtheater, die auch mit Patient*innen einsetzbar sind, werden wir in diesem Beiprogramm vor allem die Grundhaltungen des „Yes, and…“ und „Scheiter heiter“ beleuchten. Auch ohne jegliche Vorerfahrung mit Impro und/oder Theater können Therapeut*innen sowohl auf professioneller als auch auf persönlicher Ebene einen reich gefüllten Methodenkoffer, Leichtigkeit und Mut zum Ausprobieren mitnehmen.

Literatur:

Michael Alcée (2022): Therapeutic Improvisation: How to Stop Winging It and Own It As a Therapist.
Keith Johnstone (1979): Improvisation und Theater.
Nees, F. (2019). Selbststärkung: 80 kreative erlebnisorientierte Übungen für die Psychotherapie. Mit 20-seitigem Booklet. Beltz Verlag, Weinheim.

 

BP 2: Bewegung – Begegnung – Sprache: leibhaftig
Ralf Möller, Rostock

Die Teilnehmer*innen werden zu Beginn des Tages Gelegenheit bekommen, die eigene Stimme und Sprache zu entdecken, damit zu spielen und wohlmöglich zu interagieren. Atem-Übungen und Bewegungs-Spiele dienen der Anregung/Erweckung und bilden die Grundlage, sich selbst und den eigenen Tagungsinteressen zu entsprechen. Das Erspüren der eigenen Kontaktbedürfnisse wird erlebbar und kann je nach Stimmung mit Tönen, Geräuschen, Gesten und Worten in die Begegnung einfließen.

 

BP 3: Rhythmus – Bewegung – Singen – Gemeinschaft: Musik als Sprache, die alle verstehen
Ines Wassermann, Reinshagen

Gemeinsam erleben wir Rhythmen, Melodien, Sprachen und Lieder beim Lauschen, Entspannen, gemeinsam Bewegen, Sprechen und Singen, genau passend für einen sanften und dann bewegt fröhlichen Start in den Tag. Dabei werden Körper, Geist, Seele und Emotionen wach und aufnahmebereit. Die Lieder verwenden unterschiedliche Sprachen, so dass wir im gemeinsamen Erleben und Nachspüren fremde Sprachen vor allem über deren nonverbale Anteile von Rhythmus, Klang, Melodie, Lautstärke, Dynamik, Klangfarbe sowie Mimik, Gestik und Körpersprache verstehen werden. Musikalische Vorkenntnisse oder Singen „können“ sind nicht erforderlich. Jede und Jeder ist eingeladen in ihrer/seiner Art und Weise teilzunehmen.

© Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie (DGVT) e. V.

Zweitägige Workshops (16 UE gesamt)

16. – 17. Juni 2023

WS 1:  Improvisationstheater und sein psychotherapeutisches Potenzial
Regina Fabian; Berlin

Die Techniken des Improvisationstheaters bieten vielfältige Möglichkeiten im therapeutischen Kontext. So können ausgewählte Übungen im therapeutischen Setting eingesetzt werden um Perspektivänderung zu bewirken, festgefahrene Situationen aufzulockern oder um spielerisch neue Handlungsmöglichkeiten zu erproben. Die Übungspraxis kann für Therapeut*innen auch als Instrument der Selbsterfahrung genutzt werden.

Improvisationstheater ist eine interaktive Theaterform, bei der die Schauspieler*innen gemeinsam aus dem Moment heraus und ohne Absprache Szenen entwickeln. Diese Theaterform basiert auf Spontaneität und bietet zahlreiche Übungen und Techniken, um eine akzeptierende Kommunikation zu entwickeln und im aufmerksamen Kontakt mit den Partner*innen bewusst Beziehungen zu gestalten. In diesem Seminar werden Methoden und Übungen aus dem Improvisationstheater vorgestellt und praktisch erprobt. Die Reflektionsrunden beziehen sich einerseits auf die Wirkung und Anforderung der Spieltechniken, andererseits auf die eigene therapeutische Haltung.

Im Improtheater trainieren wir im ersten Schritt, alle Assoziationen zuzulassen und nicht zu bewerten. Die Spiele und Techniken folgen in Aufbau und Struktur klaren Regeln, der Inhalt wird von den Teilnehmenden frei improvisiert. In Anlehnung an das Tagungsthema „Mit den passenden Worten“ suchen wir nach dem Vertrauen in die eigene Fantasie und den Impulsen , die im Moment entstehen.

Selbsterfahrungsanteil:
Innerhalb der Übungspraxis können die Teilnehmenden erproben, ungewöhnliche Ideen zu entwickeln, flexibel auf Angebote des Gegenübers zu reagieren und im aufmerksamen Kontakt mit den jeweiligen Spielpartner*innen bewusst Beziehungen zu gestalten.
In improvisierten Situationen liegt der Fokus auf dem eigenen körperlichen Ausdruck und den körperlichen Impulsen der Gesprächspartner*in.  Die flexible Veränderung des eigenen Körperausdrucks als Reaktion auf die Partner*in wird geprobt und deren Wirkung gemeinsam reflektiert. Ziel dieser Übungen ist es, in der Interaktion die Wahrnehmung für eigene körperliche Impulse zu stärken und nonverbale Äußerungen des Gegenübers bewusst aufzunehmen und therapeutisch nutzen zu können.

Wesentliche Aspekte des Improvisationstheaters:
1. Assoziationsfähigkeit: Trainieren eigene Ideen wahrzunehmen
2. Akzeptierende zugewandte Haltung: Vermittlung des Basisprinzips "ja genau und...."
3. Spontaneität und Präsenz: eigene Impulse bewusst wahrnehmen, sowohl körperliche als auch gedankliche Impulse
4. Rollenflexibilität: Vorstellung der Statusidee von Keith Johnstone; Wahrnehmung der eigenen Körperhaltung und Stärkung der Wahrnehmung der Partner*innen 

Lernziele:

  • die grundlegenden Techniken und Prinzipien des Improvisationstheaters  kennen
  • ausgewählte Improvisationstheaterübungen in verschiedenen Kontexten einsetzen können
  • den Mut haben, in der eigenen therapeutischen Arbeit mit Patient*innen Neues auszuprobieren

Literatur:

Baving, L., Maurischat, C., Molzow, I. and Prehn-Kristensen, A. 2013. Das Improvisationstheater in der kinder-und jugendpsychiatrischen stationären Regelversorgung - eine explorative Vergleichsstudie. Gruppenpsychotherapie und Gruppendynamik, 49 (3), 221–237.
Fabian, R., Tarasova, D.Bergmann T. and Sappock,T. 2022. An improvisational theatre intervention in people with intellectual disabilities and mental health problems. International Journal of Developmental Disabilities, DOI: 10.1080/20473869.2022.2082826
Krueger, K., Murphy, J. and Bink, A. 2017. Thera-prov: A pilot study of improv used to treat anxiety and depression. Journal of Mental Health, 4,1-6.
Schwenke, D., Dshemuchadse, M., Rasehorn, L., Klarhöter, D. and Scherbaum, S. 2020. Improv to improve: The impact of improvisational theater on creativity, acceptance, and psychological well-being. Journal of Creativity in Mental Health.16(2), 1-18.
Wiener, D. J. 1999. Using theater improvisation to assess interpersonal functioning. International Journal of Action Methods Psychodrama, Skill Training and Role Playing,52 (2), 51- 69.

 

WS 2: ACT – Einführung in die Akzeptanz- und Commitment-Therapie
Lothar Duda, Dortmund

Die Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT, ausgesprochen wie das englische Verb "act") ist eine Weiterentwicklung der Verhaltenstherapie, sie basiert auf dem gleichen Grundsatz - dass psychische Probleme auf ungünstigen oder fehlenden Lernprozessen beruhen. Und sie ist mit allen anderen Methoden der klassischen VT kombinierbar. ACT geht allerdings davon aus, dass manchmal erst bestimmte Grundlagen dafür geschaffen werden müssen, dass günstige Lernprozesse in Gang kommen können. Welche Grundlagen das sind und wie ACT-Therapeut*innen ihre Patient*innen darin unterstützen, diese zu entwickeln, wird im Workshop vorgestellt und durch praktische Übungen erfahrbar gemacht werden.
Ziel der ACT ist es, durch die bewusste Förderung von Prozessen wie Akzeptanz und Achtsamkeit in Verbindung mit Strategien zur Klärung der eigenen persönlichen Werte eine größere psychische Flexibilität zu entwickeln um engagiertes Handeln zu ermöglichen.

Literatur:
Hayes, Steven C. mit Spencer Smith (2007): In Abstand zur inneren Wortmaschine. Ein Selbsthilfe- und Therapiebegleitbuch auf der Grundlage der Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT), Tübingen: dgvt-Verlag
Eifert, Georg H. (2011): Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT). Fortschritte der Psychotherapie, Bd. 45, Göttingen: Hogrefe Verlag
Harris, Russ (2011): ACT leicht gemacht. Ein grundlegender Leitfaden für die Praxis der Akzeptanz- und Commitment-Therapie, Freiburg: arbor-Verlag


WS 3: Spielfilme in der Psychotherapie
Brigitte Fellinger, Retz/Österreich

Seit einigen Jahren nützen immer mehr Psycholog*innen und Psychotherapeut*innen die aus den USA kommende cinematherapy in Kliniken und Praxen. Die bewegten Bilder von Filmen, die mit Ton und/oder Musik hinterlegt sind, schaffen Bewegtheit in uns. Wir „leben“ mit den Protagonist*innen eine Spielfilmdauer mit. Guten Spielfilmen gelingt es, uns ganz im Hier und Jetzt zu fesseln.
Menschen, die psychische Hilfe suchen, geben den Behandler*innen einen Einblick in deren einzigartige Seelenlandschaften. Die Filmtherapie kann Reflexions-, Erkenntnis- und Verstehensprozesse unterstützen, sie kann dazu anregen, ins Handeln zu kommen, weil Spielfilme zeigen, wie ein Problem gelöst wird und wie es danach sein könnte. Filmtherapie heilt nicht, aber sie kann den Blick weiten. Erfahrene Filmtherapeut*innen unterstützen damit den Prozess, in dem sich die Seelenlandschaften der Patient*innen in Filmlandschaften wiederfinden und spiegeln können, und vice versa. Dadurch entsteht eine ganz besondere Form des Dialogs. Die therapeutische Arbeit mit Spielfilmen ist sowohl für Klient*innen/Patient*innen wie auch für Psychotherapeut*innen faszinierend, bereichernd und auch herausfordernd. Für die Dauer eines Spielfilms ist die Trennung Hier die Professionist*innen – dort die Patient*innen aufgehoben. So kann und darf es sein, dass Filminhalte auch Therapeut*innen berühren, und sich diese erlauben, ihre Gefühle auch zu zeigen. Das Gemeinsame Erleben eines Spielfilms kann oftmals auch Türöffner für eine tragfähige, wertschätzende und respektvolle therapeutische Beziehung sein, vor allem bei sogenannten „komplizierten“ Patient*innen oder wenn ein therapeutischer Prozess ins Stocken geraten ist.
Der Workshop „Spielfilme in der Psychotherapie“ vermittelt theoretisches Wissen über Spielfilme, gibt einen umfassenden Einblick in die praktische filmtherapeutische Arbeit in den unterschiedlichsten Kontexten und lädt dazu ein, Spielfilme nicht zu konsumieren, sondern sie zu „erleben“ – als Zuseher*in, in der Rolle von Klient*innen/Patient*innen und auch als Filmtherapeut*in. Es ist ein besonderer therapeutischer Zugang, in „Spielfilmen zu denken“, um therapeutische Prozesse auch einmal anders zu begleiten.
Filmtherapie ist eine sehr lebendige, schulenübergreifende therapeutische Intervention, auch dies wird im Workshop erfahrbar gemacht. Gerne können eigene Fallpräsentationen mitgebracht werden.

Literatur:
Hesley/Hesley: Rent Two Films and Let`s Talk in the Morning. (NJ 2008)
Fellinger: Spielfilme in der Psychotherapie, (München 2018)
 

WS 4: Metaphern und Geschichten in der Psychotherapie
Frauke Niehues, Gießen

Metaphern aktivieren, meist ohne dass uns dies bewußt ist, umfassende kognitive und emotionale Konzepte. Hierdurch lenken Sie unsere Aufmerksamkeit, strukturieren unsere Wahrnehmung und verbessern Gedächtnisprozesse. Sie nehmen Einfluß auf Interpretationen, Bewertungen und Verhaltensimpulse.
Durch diese Eigenschaften können Sie vielfältige Funktionen in der therapeutischen Arbeit übernehmen. Man kann sie u.a. als Informationsträger nutzen, Netzwerke explorieren und verändern oder neue Informationen schnell verankern.

In dem Workshop werden therapeutische Methoden gezeigt, bei denen Metaphern eine tragende Rolle spielen. Dies umfasst beiläufiges Arbeiten mit Metaphern im Gesprächsfluß, Metaphern als Möglichkeit der Externalisierung und Veränderung von Gefühlszuständen und Symptomen, Visualisierungsmethoden, die Arbeit mit Bildkarten, Impacttechniken u.w.
Weiterhin wird auf das Erzählen von Geschichten eingegangen, welche als komplexe Metaphern zu verstehen sind. Sie verstehen, wann, wie und warum diese Methoden eingesetzt werden und welche jeweils besondere Wirkweise sie entfalten. Die Techniken werden demonstriert und praktisch geübt. Zum Schluß gehen Sie mit einem Handwerkskoffer voll kreativer Methoden und einer Sammlung themenspezifischer Metaphern und Geschichten nach Hause.

 

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